Die Erfindung des Fremden in der Kunst
Kurpfälzisches Museum Heidelberg19. Oktober 2024 bis 12. Januar 2025
Nächste Führungen: Sonntag, 8. Dezember, 15 Uhr, Künstlerinnengespräch mit Parastou Forouhar; Sonntag, 15. Dezember, 11 Uhr (Cara Hoppe)
Nächste Veranstaltung: Donnerstag, 12. Dezember, 19 Uhr, Künstlergespräch mit Francisco Klinger Carvalho im Interkulturellen Zentrum
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Der Blick auf das Fremde erfährt über die Jahrhunderte einen großen Wandel. Die Ausstellung schlägt mit bedeutenden Werken und internationalen Leihgaben einen kunstreichen Bogen vom Spätmittelalter bis in die Gegenwart. In sechs Kapiteln führt sie von den Bildern der sogenannten Neuen Welt und des Orients über den Primitivismus der Moderne bis hin zu zeitgenössischer Malerei, Foto- und Videokunst.
Europas Begegnungen mit fremden Kulturen sind vielfältig und von ambivalenten Interessen geprägt. Der Kunst kommt hierbei eine wichtige Rolle zu. Sie spiegelt und gestaltet die Vorstellung des Fremden, reflektiert die eigene kulturelle Identität durch Abgrenzung vom Anderen und verhandelt diese Positionen immer wieder neu.
Wie blickt Europa um 1500 auf Amerika? Wie viel Fiktion steckt in den Darstellungen des Orients? Welche Rolle spielt die außereuropäische Kunst für die Expressionisten und welche Bedeutung hat die Hautfarbe in der Kunst?
Mit über achtzig Werken beleuchtet die Ausstellung die Konstruktion und Darstellung von 'Fremdheit' in der europäischen Kunst. Anhand der Bilder bedeutender Künstler wie Albrecht Dürer, Rembrandt van Rijn, Jean-Étienne Liotard, Jean-Auguste-Dominique Ingres und Ernst Ludwig Kirchner werden vertraute Bildtraditionen und Sichtweisen hinterfragt.
Zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler wie Gülsün Karamustafa, Lisl Ponger und Yinka Shonibare zeigen mit Malerei, Foto- und Videokunst den aktuellen Blick auf das Thema.
Exotische Illusionen
Die Expeditionen nach Afrika, Indien und vor allem Amerika eröffnen Europa um 1500 einen neuen Blick auf die Welt. Durch den Buchdruck verbreiten sich die Reiseberichte schnell und weit, exotische Objekte werden zu begehrten Sammlerstücken. Es entstehen mitunter sensationelle Darstellungen der fernen Kontinente, deren vermeintlich unzivilisierte Völker darin auf das gelehrte Europa der Eroberer treffen – eine für Jahrhunderte prägende Bilderfindung.
Fantasiebild Orient
Der Orient erscheint in der westlichen Kunst lange Zeit als ebenso faszinierend wie bedrohlich. So ist er während der kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem Osmanischen Reich Sinnbild für Barbarei, gleichzeitig wächst durch Diplomatie und Handel die Wertschätzung für seine Kultur. Orientalische Bildmotive und Erzeugnisse vermitteln sozialen Status und Lebensart, die dekorative „Türkenmode“ durchdringt im 18. Jahrhundert das Leben der Oberschicht. Später wird der Orient als altertümlicher Ort mit archaisch wirkenden Geschlechterrollen dargestellt. Darin spiegeln sich die imperialen Eroberungsfantasien des 19. Jahrhunderts.
Traumwelten der Moderne
Die außereuropäische Kunst wird im frühen 20. Jahrhundert zur wichtigen Inspiration. Ihre scheinbare ‚Primitivität‘ gilt als neues künstlerisches Ideal, das die kolonialistischen Vorstellungen der Zeit widerspiegelt. Auch die deutschen Expressionisten nutzen diese Quelle zur künstlerischen Selbstdarstellung und entwerfen mit ihrer Hilfe ein idealisiertes Bild kultureller Ursprünglichkeit.
Konstruktion des weißen Blicks
Zentral für die künstlerische Inszenierung von Fremdheit ist die Gestaltung der Körperfarbe, die gesellschaftliche Hierarchien ausdrückt: Die vermeintliche Normalität weißer Haut verdeckt eine Abwertung Schwarzer Menschen. Diese erhalten in der Kunst oftmals die Rolle der exotischen „Anderen“. Der weiße Blick durchzieht unzählige Bildthemen der europäischen Kunst aller Epochen. In der Ausstellung wird er hinterfragt und durch alternative künstlerische Perspektiven herausgefordert.
Ausstellungskatalog
„Die Erfindung des Fremden in der Kunst“, herausgegeben von Frieder Hepp, bearbeitet von Julia Carrasco, Michael Imhof Verlag (2024), 24,95 Euro
erhältlich im Buchhandel und im Museumsshop ab 17. Oktober
Information zum Ausstellungsbesuch